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Sonntag, Dezember 27, 2009

The Return of the Unwort

screen-capture.pngMein liebster "Früher war alles besser"- und "Ich komme in der Gegenwart nicht mehr klar"-Rentnerverbund, der Verein der deutschen Sprache nahm das Jahresende zum Anlass mal wieder richtig schön auf die Kacke zu hauen:


Das englische Wort „sale“ (deutsch: Ausverkauf) haben Mitglieder des Vereins Deutsche Sprache zum „nervigsten und überflüssigsten Wort des Jahres 2009“ gewählt. „Abwrackprämie“ bezeichneten sie als das „nützlichste Wort des Jahres“, wie der VDS in Dortmund mitteilte. Etwa 2000 Mitglieder hatten sich an der Auswahl beteiligt.

„Das Wort „sale“ soll für Ausverkauf oder Sonderangebot stehen. Warum sagt man es nicht in der Sprache der Kunden?“, fragte der Präsident des Deutschlehrerverbandes der Elfenbeinküste, Charles Antoine Djokouéhi, laut Mitteilung.

Die Verwendung von Anglizismen sei kein Zeichen für Internationalität und hohe Bildung, sondern genau das Gegenteil. „Nur provinzielle, ungebildete Deutsche verwenden häufig Fremdwörter, weil sie die internationale Bedeutung ihrer eigenen Sprache nicht kennen und einen kleinen deutschen Wortschatz haben“, meinte er.

Auf Platz zwei der angeblich „nervigsten“ Begriffe landete der Firmenname „Hypo Real Estate“, auf Platz drei kam der Begriff „Comedian“. „Abwrackprämie“ dagegen sei von vielen positiv hervorgehoben worden, weil es einen komplizierten Sachverhalt kurz und prägnant im Deutschen ausdrücke, so der Verein.

Der 1997 gegründete VDS mit mehr als 31.000 Mitgliedern bezeichnet sich selbst als „die weltweit größte Sprach-Bürgerbewegung“. Mitglieder seien unter anderem Hape Kerkeling, Dieter Hallervorden und Nina Ruge. Der Verein wendet sich vor allem gegen die häufige Verwendung von Anglizismen im deutschen Sprachgebrauch.
(Quelle)

Vor über drei Jahren gab es auf diesem Blog eine interessante Episode mit Vereinsmitglied Dr. Hans-Joachim Grobe, der mir vorwarf, ich wäre dem Fluch der Anglizismen längst erlegen und sowieso schon lange verloren. Seitdem ist meine Liebe zum VDS ungebrochen.

Dieses Jahr scheinen die senilen und realitätsfernen Diskussionen beim Kaffeekränzchen des Vereins einen neuen Höhepunkt erreicht zu haben. "Provinzielle Deutsche" sind für den den aristokratischen Seniorenadel anscheinend genauso abstoßend wie die Vorstellung einen Hot Dog, statt einen Frankfurter zu essen. Schön wie da pauschalisiert wird, wo sich doch gerade unter der Welt-Leserschaft ganz gewiss das eine oder andere Landei befindet.

Noch weniger Gedanken hat man sich anscheinend über die Tatsache gemacht, dass das Wort "sale" aus einfachen Marketing-Gründen verwendet wird. So lassen sich die vier Buchstaben des Wortes eben viel deutlicher präsentieren, als es mit umschweifenden Formulierungen wie "Schlussverkauf" der Fall wäre (Eine Strategie, die die große Schwesterzeitung der Welt schon seit Jahrzehnten verfolgt). Davon abgesehen halte ich den englischen Begriff um einiges aussagekräftiger, denn wirklich "Schluss" ist bei diesen Handelstaktiken nichts und ein Schild mit dem Wort "Verkauf" würde mich auch eher verwirren. Beim Namen Hypo Real Estate hat der VDS offensichtlich übersehen, dass es sich bei der Firma um ein international agierendes Unternehmen handelt(e). So schön die deutsche Sprache auch ist, die Bezeichnung "Hypo Grundstücks- und Wohnungswirtschaft" ist weder für den ausländischen Geschäftsmann verständlich noch zeitgemäß.

Das Wort "Abwrackprämie" dann auch noch zum Wort des Jahres zu küren schießt dann wirklich den Vogel ab. Von "Schweinegrippe" einmal abgesehen - gibt es ein Wort, dass euch mehr genervt hat dieses Jahr? Für mich nicht. Ganz nebenbei hatte ich das Verb "Abwracken" zum ersten Mal in meinem Leben gehört und ich hätte eine Bezeichnung wie "Verschrottungsprämie" oder kurz und knapp "Wegschmeißbonus" besser gefunden.

Der Verein der Deutschen Sprache hat bis heute nicht verstanden, dass Sprache einem dynamischen Veränderungs- und Erweiterungsprozess unterliegt, der sich vor allem dann bemerkbar macht, wenn muttersprachliche Wörter und Begriffe nicht mehr ausreichen, um neue Umstände und Gegenstände effizient zu beschreiben. Das ist schon seit hunderten von Jahren so - Griechisch, Latein und Französisch sind tief im Deutschen verwurzelt und ich kann mich nicht daran erinnern, jemals Beschwerden darüber gehört zu haben, in ein "Restaurant" zu gehen oder die "Bibliothek" zu besuchen.

Wie bei so vielen Dingen im Leben denke ich auch hier als Liberaldarwinist: Wenn die deutsche Sprache im Globalisierungschaos der Gegenwart an seine Grenzen stößt, dann hat ihre derzeitige Form keinen Bestand mehr und wird sich "ganz natürlich" verändern und den neuen Gegebenheiten anpassen, um zu überleben.

Dass dies Ihnen, werte Herrschaften des VDS, und den großartigen Schirmherren Dieter Hallervorden und Nina Ruge nicht passt, kann ich gut nachvollziehen. Aber wenn Sie ganz ehrlich zu sich sind, ist Deutsch doch nicht das Einzige, was Sie im Alltag aufregt, oder? Denken Sie doch nur mal an die Jugend mit Ihrer unnötig lauten Musik, den unerhörten Kleidungsstil, die fast schon pornographischen Fernsehsendungen und die vielen anderen Kopfschüttel-Themen, mit denen Sie und Ihre Kulturveteranen sich so durch den Tag meckern. Sollte ich etwas harsch klingen, so verstehen Sie mich falsch - auch bei Ihnen greift meine liberaldarwinistische Lebensphilosophie prima. Ich lehne mich ruhig zurück, denn ich weiß: Auch Sie werden bald gemeinsam "ganz natürlich" mit Ihrem beleidigenden und pseudointellektuellen Kampf für unangebrachten Sprachpatriotismus verschwunden sein.

Donnerstag, Februar 04, 2010

Von Leichensäcken und dem VDS


Guess what, liebe Freunde der deutschen Sprachkultur. Da wurde in den letzten Tagen wieder hitzig darüber geredet, wie viel Englisch denn gut für uns Deutsche sei und schon hetzen... Entschuldigung, rollen die Mitglieder des Vereins der Deutschen Sprache geschwind zum nächsten Pressemeeting, um ihre wirklichkeitsfernen Ideen einer Sprachreinrassigkeit kundzutun. Anlass war diesmal das Vorhaben des neuen Verkehrsministers Peter Ramsauer, der nun offiziell zum Kampf gegen Anglizismen bläst. Als erstes wird die Deutsche Bahn dran glauben müssen - hier wird es in Zukunft nicht mehr "Service Point" sondern "Informationsstelle" heißen. Eine vielleicht noch moderate Änderung, allerdings finde ich es fraglich, gerade in Bereichen auf Deutsch zu pochen, die stark im Tourismus verwurzelt sind. Für Nichtdeutsche ist dies nicht sonderlich hilfreich. Der VDS allerdings denkt zwischen Lindenstraße und Bingo-Partien im Schlaftablettendelirium natürlich schon viel weiter.

Stern-Redakteur Mark Stöhr berichtet:

(...) Der Verein Deutsche Sprache (VDS) hat den Vorstoß des Ministers naturgemäß begrüßt. Seit 1997 angeln sich die Sprachhüter aus Dortmund Anglizismen und suchen nach deutschen Entsprechungen. Das "Laptop" ist ein "Klapprechner", der "Scanner" ein "Abtaster", der "Cheeseburger" ein "Käsehamburger" und der "Toast" ein "Röstbrot". Man muss ihnen zufolge auch nicht unbedingt "scrollen", sondern kann auch schlicht "rollen", wer "tickert", kann genauso gut "fernschreiben" dazu sagen, und wer "twittert", "blitzbloggen". Aber ist die "Disco" tatsächlich das gleiche wie ein "Tanzlokal"? Bisweilen erinnert die zwanghafte Eindeutschung englischstämmiger Begriffe an die Wortwitze in der untergegangenen DDR: "Auslegware" für "Teppichboden" und "Brettsegeln" für "Surfen".

Das Problem beim Denglischen ist oft, dass die Benutzer Deutsch halbwegs beherrschen, aber Englisch mal so gar nicht. Ein Ladenbesitzer etwa, der es cool, nein, kühl findet, eine stinknormale Tragetasche nicht "Tragetasche" zu nennen, sondern "body bag", bietet im eigentlichen Sinne des Wortes einen Leichensack an. Das bei sportlichen Großereignissen hierzulande so beliebte "public viewing" ist unter Briten gänzlich unbekannt, Amerikaner verstehen darunter die öffentliche Aufbahrung toter Berühmtheiten. Und wer im Kino einen "Blockbuster" guckt statt eines "Kassenschlager", sollte sich bewusst sein, dass im Zweiten Weltkrieg vielen wegen der berüchtigten "Wohnblock-Knacker" Hören und Sehen verging.

God be thank, ist unsere politische Elite ausgesprochen polyglott und weiß, wovon sie spricht. Guido Westerwelle, in Foren nur noch "the german outside minister", parliert auf dem diplomatischen Parkett bekanntlich flüssig in Deutsch wie in Englisch. Und Günther "We are all sitting in one boat" Oettinger, der zukünftige Energie-Kommissar in Brüssel, brachte es aufgrund seiner Sprachkompetenz sogar zum YouTube-Star. Er kann, was sonst keiner kann: drei Sprachen auf einmal. So viel Multitasking, nein, Simultanerledigung kann sich Verkehrsminister Ramsauer auf seinen Schienen nur wünschen.


Den ganzen Artikel findet ihr hier.

Vorherige Episoden mit dem VDS auf derwgblog.de gibt es hier und hier und hier.

Donnerstag, Februar 25, 2010

Sprache der Ideen



Der Amoklauf des Verein der Deutschen Sprache (VDS) und weiteren selbsternannten Sprachkreuzrittern geht weiter. Nun ruft Außenminister Westerwelle höchst persönlich die Kampagne "Deutsch - Sprache der Ideen" ins Leben. Thomas Steinfeld von jetzt.de macht sich aufgrund dieses neusten Bullshits... ähh Schabernacks höchst interessante Gedanken.

Die deutsche Sprache kann sich gegenwärtig vor Liebhabern kaum retten. Inniger, aber auch lautstärker als seit langer Zeit wird sie zum Gegenstand des Nationalstolzes erhoben. Doch dass abstraktes Lob verblödet, gilt auch für Huldigungen an die Sprache. Johann Gottlieb Fichtes "Reden an die deutsche Nation" aus dem Jahr 1808, die Schrift, in der er, neben vielem anderen, die Überlegenheit der deutschen Sprache gegenüber allen anderen Kultursprachen beweisen wollte, ist nicht zufällig in einem furchtbaren Deutsch geschrieben. Fichtes Sprache darin trägt - ähnlich wie in der Rede von der "Sprache der Ideen" - Züge einer großen Überheblichkeit. Selbstverständlich kann man die deutsche Sprache schätzen, ja sogar lieben, ihrer Eigenart und ihrer Geschichte wegen. Ihr aber als solcher zu huldigen, nur weil sie da ist und von hundert Millionen Menschen gesprochen oder von fünfzehn Millionen Menschen gelernt wird, ist nicht nur unergiebig, sondern schadet auch der Sprache: weil eine solche Huldigung von allem absieht, was die Sprache selber ausmacht.

Auf seltsame, oft bestürzende Weise verknüpfen sich dabei immer wieder Sprachkritik und Moral: so als wäre jeder, der unbeholfen, unverständlich, fehlerhaft spricht oder schreibt, zugleich ein lächerlicher, wenn nicht sogar schlechter Mensch - und der andere, der ihn bei einem Vergehen wider die gute Sprache ertappt, immer schon ein Richter, der, weil das Verbrechen ja offenbar ist, sich über dessen Ursachen keine Gedanken mehr machen muss. Worin besteht dieses Vergehen? Sich irgendwie an der "Sprache der Ideen" versündigt zu haben. Und so hallt nicht nur der Ruf "Hinsetzen, sechs!" durch das imaginäre Klassenzimmer, das die neuen Deutschlehrer unter Umständen auch in Eissporthallen eröffnen, sondern auch der Fanatismus der Nation.

Nicht weniger zweifelhafte Gestalten sind die Puristen, die, als Verein organisiert oder auch nicht, die deutsche Sprache von englischen Lehnwörtern befreien möchten. Dabei ist gegen die Bevorzugung von deutschen Wörtern wie gegen das Eindeutschen von Fremdwörtern gar nichts zu sagen. "Strom" heißt es gewöhnlich, wenn es darum geht, was sich in einer Steckdose verbirgt, und gewiss wäre "Elektrizität" das richtigere Wort, weil es auch die Spannung enthält - und trotzdem weiß jeder, was gemeint ist. Das Ersetzen von Wörtern aus Fremdsprachen durch mehr oder weniger erfundene, neu geschaffene deutsche Wörter hat, von Johann Christoph Adelung bis Eduard Engel, eine große Tradition im Deutschen, und es ist, vom "Hirngespinst" bis zum "Mülleimer" manches schöne Wort dabei entstanden. Denn das Eindeutschen schafft oft eine Bildlichkeit, wo es vorher nur eine Vokabel gab. Und trotzdem ist dieser Purismus unangenehm: Denn was noch um 1800, bei Adelung, Campe, Lessing, Klopstock oder Goethe, ein Programm zur Entwicklung des Deutschen gewesen war, hat sich längst in ein Unternehmen zur Abwehr des Fremden verwandelt. Auch das ist nicht ohne Überheblichkeit zu haben.

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