Donnerstag, Februar 25, 2010

Sprache der Ideen



Der Amoklauf des Verein der Deutschen Sprache (VDS) und weiteren selbsternannten Sprachkreuzrittern geht weiter. Nun ruft Außenminister Westerwelle höchst persönlich die Kampagne "Deutsch - Sprache der Ideen" ins Leben. Thomas Steinfeld von jetzt.de macht sich aufgrund dieses neusten Bullshits... ähh Schabernacks höchst interessante Gedanken.

Die deutsche Sprache kann sich gegenwärtig vor Liebhabern kaum retten. Inniger, aber auch lautstärker als seit langer Zeit wird sie zum Gegenstand des Nationalstolzes erhoben. Doch dass abstraktes Lob verblödet, gilt auch für Huldigungen an die Sprache. Johann Gottlieb Fichtes "Reden an die deutsche Nation" aus dem Jahr 1808, die Schrift, in der er, neben vielem anderen, die Überlegenheit der deutschen Sprache gegenüber allen anderen Kultursprachen beweisen wollte, ist nicht zufällig in einem furchtbaren Deutsch geschrieben. Fichtes Sprache darin trägt - ähnlich wie in der Rede von der "Sprache der Ideen" - Züge einer großen Überheblichkeit. Selbstverständlich kann man die deutsche Sprache schätzen, ja sogar lieben, ihrer Eigenart und ihrer Geschichte wegen. Ihr aber als solcher zu huldigen, nur weil sie da ist und von hundert Millionen Menschen gesprochen oder von fünfzehn Millionen Menschen gelernt wird, ist nicht nur unergiebig, sondern schadet auch der Sprache: weil eine solche Huldigung von allem absieht, was die Sprache selber ausmacht.

Auf seltsame, oft bestürzende Weise verknüpfen sich dabei immer wieder Sprachkritik und Moral: so als wäre jeder, der unbeholfen, unverständlich, fehlerhaft spricht oder schreibt, zugleich ein lächerlicher, wenn nicht sogar schlechter Mensch - und der andere, der ihn bei einem Vergehen wider die gute Sprache ertappt, immer schon ein Richter, der, weil das Verbrechen ja offenbar ist, sich über dessen Ursachen keine Gedanken mehr machen muss. Worin besteht dieses Vergehen? Sich irgendwie an der "Sprache der Ideen" versündigt zu haben. Und so hallt nicht nur der Ruf "Hinsetzen, sechs!" durch das imaginäre Klassenzimmer, das die neuen Deutschlehrer unter Umständen auch in Eissporthallen eröffnen, sondern auch der Fanatismus der Nation.

Nicht weniger zweifelhafte Gestalten sind die Puristen, die, als Verein organisiert oder auch nicht, die deutsche Sprache von englischen Lehnwörtern befreien möchten. Dabei ist gegen die Bevorzugung von deutschen Wörtern wie gegen das Eindeutschen von Fremdwörtern gar nichts zu sagen. "Strom" heißt es gewöhnlich, wenn es darum geht, was sich in einer Steckdose verbirgt, und gewiss wäre "Elektrizität" das richtigere Wort, weil es auch die Spannung enthält - und trotzdem weiß jeder, was gemeint ist. Das Ersetzen von Wörtern aus Fremdsprachen durch mehr oder weniger erfundene, neu geschaffene deutsche Wörter hat, von Johann Christoph Adelung bis Eduard Engel, eine große Tradition im Deutschen, und es ist, vom "Hirngespinst" bis zum "Mülleimer" manches schöne Wort dabei entstanden. Denn das Eindeutschen schafft oft eine Bildlichkeit, wo es vorher nur eine Vokabel gab. Und trotzdem ist dieser Purismus unangenehm: Denn was noch um 1800, bei Adelung, Campe, Lessing, Klopstock oder Goethe, ein Programm zur Entwicklung des Deutschen gewesen war, hat sich längst in ein Unternehmen zur Abwehr des Fremden verwandelt. Auch das ist nicht ohne Überheblichkeit zu haben.

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