Misha und Pé sind beide ungefähr gleich alt, sie wissen nicht mehr seit wie vielen Jahren sie schon an ein und dem selben Ort stehen. Sie stehen nicht sehr weit auseinander, würde einer von ihnen umfallen, dann würde er sich sicherlich im Geäst des anderen verheddern. Zwischen ihnen fließt ein Fluß, welcher schon da war, lange bevor sie existierten und sicher würde er auch noch viel länger dort lang fließen. Manchmal blieb er nicht in seinem Bett, wenn er die gewaltigen Wassermassen nicht bewältigen konnte wurden die Stümpfe unserer beiden Eichen umspült, doch das störte sie kaum. Sie sogen das Wasser in sich auf und ihr grün strahlter noch grüner als sonst. Misha und Pé unterhielten sich nicht viel. Im Sommer wunken sie sich manchmal zu, während der Wind ihr rauschendes Blätterkleid hin und her wogen ließ, dass machte beiden sehr viel Spaß es kitzelte an ihren Ästen und sie lachten, sie mochten es, wenn es warm war. Sie mochten auch den Winter, allerdings redeten sie da nicht viel miteinander ein paar wenige knurrende Geräusche, darauf beschränkten sich ihre Unterhaltungen, aber sie liebten es wenn der Schnee auf ihren Ästen ruhte. Und noch mehr liebten sie es, den Schnee mit Hilfe des Windes von ihren Ästen zu schütteln und zu beobachten, wie die Schneeflocken langsam zu Boden rieselten, wo sie dann liegenblieben und manchmal gar bizaare Formen annahmen. Bis dann die Sonne anfing die Flocken zu schmelzen und aus der glitzernden Landschaft wurde eine braune etwas unförmige Einöde, doch nach nur wenigen Wochen wuchsen überall kleine Blumen in lila, weiß und blau. Misha konnte sich kaum satt sehen an diesem prosperierenden Leben, das überall um ihn herum spross. Im Winde schaukelnd nickten ihm all diese Blumen ehrfürchtig zu, denn sie wußten, dass sie nie so alt und so groß werden würden wie die riesige Eiche, deren mächtiges Haupt so weit über ihnen trohnte.
In der Ferne sahen Misha und Pé häufiger Tiere vorbei ziehen, manchmal kamen sie auch ganz nah … im Sommer zum Beispiel, da genossen sie den Schatten, den sie von den beiden Eichen gespendet bekamen und lagen in der Tagesmitte manchmal zwei Stunden zu ihren Füßen. Sie sahen viele Tiere, einige knabberten auch manchmal an ihrer Borke, aber das störte nicht, manchmal kniff es ein wenig, wenn einer dieser Vögel in rasender Geschwindigkeit ein Loch pickte, aber ansonsten war das unseren beiden Protagonisten ziemlich gleich. In der Ferne gingen manchmal Tiere vorbei, die nicht wie alle anderen Tiere auf allen Vieren krabbelten, sondern sie bewegten sich auf zwei Beinen vorwärts. Sie hatten lange spitzzulaufende Stöcker bei sich und jagten einige der Tiere, die manchmal auf den Wiesen grasten, wie die Büffel oder die Wisente. Misha und Pé haben beide noch nie eine dieser Kreaturen aus der Nähe zu Gesicht bekommen, doch das sollte sich bald ändern. Beide hatten kein Wissen über diese seltsamen Geschöpfe, sie betrachteten sie neugierig und wünschten sich, diese Kreaturen einmal aus der Nähe zu sehen.
Misha war ungefähr 280 Jahre alt, als eines Morgens den Tau von seinen Ästen schüttelnd, er die Augen öffnete und zu seinen Füßen eine ganze Gruppe dieser ihm so Fremden Geschöpfe sah. Er schüttelte sich ein weiteres Mal um sich zu vergewisesern, doch es waren eindeutig die für ihn so interessanten Lebewesen. Er versuchte sie zu belauschen, doch er konnte nicht verstehen, was sie sich zuriefen. Alle schienen sehr emsig irgendwelchen Tätigkeiten nachzugehen, die zierlicheren Wesen beschäftigten sich damit Lehm aus dem Fluß zu holen und ihn zu seltsamen hohlen Gebilden aufzutürmen. Die ganz kleinen unter ihnen schienen nicht wirklich etwas zu tun, tolpatschig krabbelten sie durch die Gegend und schienen mit ihren großen Augen fasziniert auf alles zu schauen was ihnen in die Hände kam und sie lachten … Misha mochte sie, auch Pé fand diese kleinsten der Geschöpfe sehr rührend, auch wenn er sie nicht so genau beobachten konnte wie Misha. Die robusteren waren selten da, sie waren groß und sehr haarig und wenn sie dann kamen hatten sie Tiere mit, die sie scheinbar mit ihren langen Stöckern erlegt haben. Unsere beiden Eichen betrachteten das emsige Treiben mit Wohlwollen und sie genossen das ständige Gebrabbel, dass sie nun, Tag aus und Tag ein hörten. Es vergingen ein paar Sommer und Winter, aus den kleinen Wesen wurden die größern zierlichen Gestalten aber auch die robusten entwickelten sich aus den Kleinen, das war für Misha und Pé sehr schwer zu verstehen. Und es kamen neue hinzu und auch die wuchsen wieder aber scheinbar hörten sie recht schnell auf mit wachsen, denn selbst der Größte unter ihnen schaffte es nicht, an Mishas am tiefsten hängenden Ast zu springen. Weitere Jahre vergingen und eines Morgens, war es Pé der seinen Augen nicht traute, jahrelang hat er geschäftig das Treiben des Dorfes auf der anderen Seite des Flusses beobachtet und nun, schien sich eine ähnliche Herde hier an seinem Fuße niederzulassen. Pé fühlte sich darin nicht weiter gestört, er kannte das ja bereits alles von der anderen Seite des Flusses. Ja er freute sich sogar jetzt seine "eigene" Herde zu haben. Und wie die Herde auf Misha's Seite fingen sie an sich kleine Behausungen zu bauen, sie jagten, fingen Fische aus dem Fluß und pflückten Beeren. Er genoss es wenn die Kleinsten unter ihnen im Sommer in seinem Schatten einander jagten mit strahlenden Gesichtern und großen Augen.
Dann eines Sommers blieb der Regen aus, die Sträucher trugen kaum Früchte und viele der sonst dort vorbeikommenden Tiere schienen sich in eine andere Gegend verzogen zu haben. Misha und Pé's Arme reichten allerdings so tief in die Erde hinein, dass sie genügend Wasser bekamen um ihrem Blattwerk ein saftiges grün zu verleihen. Doch die Wesen die sich ihr Dorf in ihrer Nähe errichtet haben wurden immer dürrer nur selten wurde mal ein Wisent erlegt und die unter ihnen die dafür Sorge trugen, schienen immer länger weg zu bleiben. Es war auch kein fröhliches Gemurmel mehr, ihre Gesänge und ihre Gesten hatten nun mehr von einem ständigen Wehklagen. Unsern Bäumen tat das sehr leid, aber sie konnten nicht helfen. Dann eines Nachts erwachten Misha und Pé von einem furchtbaren Geschrei und Gepolter, da es dunkel war, waren sie kaum in der Lage zu erspähen was da vor sich ging zu ihren Füßen, doch sie hatten Angst, zum ersten mal in ihrem, mittlerweile 310 Lebensjahren hatten sie Angst. Sie konnten das Gefühl nicht richtig fassen, es war ihnen so fremd, warum schrien diese Wesen dort unten so laut? Was passierte da? Mit dem Morgengrauen kam das Licht und mit dem Licht das Entsetzen. Von den Dörfern war nichts mehr übrig geblieben, die Wesen lagen reglos am Boden, weder wehklagend noch murmelnd, sie lagen nur da. Einige lagen im Fluß, dünne Rinnsaale rötlich gefärbten Wassers, umspülten sie, andere wieder lagen in sehr unnatürlichen Haltungen da, weder Misha noch Pé haben diese Haltungen je zuvor gesehen.
Dann wurde ihnen bewußt, auf was sie hinabblickten, das Leben war verschwunden, die ihnen zu Füße liegenden Geschöpfe würden nie wieder fröhlich um sie herum tanzen. Unsere beiden Eichen konnten nicht verstehen was sie sahen. Das "Warum" begriffen sie nicht. Warum haben diese Wesen sich gegenseitig so etwas angetan? Jeder für sich im Stillen stellte sich diese Frage immer wieder, doch auf eine Antwort kamen sie nicht. Sie grämten sich so sehr, dass sie anfingen zu weinen. Sie wußten sie brauchten das Wasser zum leben, doch sie konnten nicht anders sie weinten, erst Tage, aus Tagen wurden Wochen und aus Wochen Monate. Die beiden wurden immer schwächer doch sie konnten nicht aufhören sie haben etwas gesehen, dass für sie keinen Sinn macht und langsam zerbrachen sie. Ihr Tränenfluß versiegte und sie vertrockneten von Tag zu Tag mehr.
Unsere beiden Eichen gibt es schon lang nicht mehr, sie sind gestorben an gebrochenem Herzen, sie haben sich ständig nach dem Grund gefragt und an der Suche nach dieser Antwort zerbrach ihr kleines Baumherz!
Für Nancy die tollste Freundin von Welt