Samstag, September 09, 2006

Paul wünscht euch....

... einen wunderschönen Tag der Deutschen Sprache! Ja, ihr habt richtig gehört: Das ganze Jahr mussten wir geduldig warten - doch wir haben es geschafft: Endlich wieder Tag der Deutschen Sprache, juhu! Und, wart ihr auch alle schön brav gewesen und habt fein auf den Genitiv und Dativ geachtet sowie auf sämtliche sprachzerstörende Anglizismen verzichtet? Brav, dann dürft ihr an den zahlreichen Veranstaltungen des Verein Deutsche Sprache e.V. teilnehmen. Was gibt es schöneres als damit sein Wochenende zu verbringen. Dort könnt ihr euch dann über den Sprach-Dämon Nr.1 informieren:

Die deutsche Sprache wird zu Zeit von einer Unzahl unnötiger und unschöner englischer Ausdrücke überflutet. Die Werbung bietet hits for kids oder Joghurt mit weekend feeling. Im Fernsehen gibt es den Kiddie Contest, History, Adventure oder History Specials und im Radio Romantic Dreams. Wir stählen unseren Körper mit body shaping und power walking. Wir kleiden uns in outdoor jackets, tops oder beach wear. Wir schmieren uns anti-ageing-Creme ins Gesicht oder sprühen styling ins Haar. Bei der Bahn mit ihren tickets, dem service point und McClean verstehen wir nur Bahnhof. Manche Leute finden das cool. Andere - die Mehrheit der Menschen in Deutschland - ärgern sich über die überflüssigen englischen Brocken und sehen darin eine verächtliche Behandlung der deutschen Sprache. Es ist in der Tat albern - und würdelos ! -, Wörter wie "Leibwächter", "Karte", "Fahrrad", "Nachrichten" oder "Weihnachten" durch body guard, card, bike, news oder X-mas zu ersetzen.
Diese Anglisierung der deutschen Sprache hängt mit der weltweiten Ausbreitung des American Way of Life zusammen, hinter dem die politische und wirtschaftliche Macht der USA steht und durch den sich die Lebensformen vieler Länder und deren Sprachen verändert haben. Das gilt auch für Deutschland. Eine besonders geringe Treue einiger Deutscher zur eigenen
Sprache und die gierige Bereitschaft zur Anbiederung an die englische haben -
mehr als anderswo - zur Entstehung eines Sprachgemischs beigetragen, das wir Denglisch nennen. (Link)
Normalerweise schalte ich ja immer sofort ab wenn es einmal wieder darum geht der USA einen weiteren Schwarzen Peter zuzuschieben – drollig ist die Initiative aber schon irgendwie. Dennoch, ich bin fest der Überzeugung, dass sich die Mitglieder des Vereins entweder im Rentenalter befinden oder auf soziokulturelle Kontakte keinen Wert legen: Geht man nur halbwegs mit offenen Augen durch die Welt, weiß man: Ohne Englisch im Deutschen geht es nicht! Man überlege sich einfach mal das Chaos im Internet: Wer möchte schon im „Welt Weiten Netz“ auf der „Zuhauseseite“ unseres „WG-Netz-Tagebuchs“ surfen? Ich denke, dass uns Anglizismen im Alltag und auch in der Kommunikation oft weiterhelfen. Das mag daran liegen, dass die Englische Sprache produktiver ist als die Deutsche (im Englischen entstehen neue Wörter, im Deutschen nicht). Wenn die ganze Welt also irgendwann nur noch Englisch spricht – wen stört’s ? Auf sprachliche Missverständnisse, jahrelangen Sprachunterricht und Hilflosigkeit im Ausland kann ich jedenfalls verzichten.

Ich order mir jetzt erstmal ASAP New York Super Fudge Chunk Ice Cream und werde dann chillig biken gehen während ich meinem Podcast lausche. Groovy.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Verehrter Paul,

vielen Dank für die "guten Wünsche" zum Tag der deutschen Sprache! Am liebsten würden Sie ja uns, die wir uns gegen die unnötige Verdenglischung unserer ausdrucksreichen Sprache wenden, zum Teufel wünschen und Ihre USA-Gläubigkeit pflegen, wie man ja unschwer auf Ihren Webseiten erkennen kann.

Auch ich bin so eine verkalkte Rentnerexistenz, der der JU-Vorsitzende Mißfelder CDU-MdB) ja keine ausreichende Gesundheitsvorsorge mehr zugetehen will. Also ab auf den Müll mit uns und unseren Sprachutopien!

Eins, lieber Paul, aber haben Sie noch nicht begriffen: Wir vom Verein Deutsche Sprache sind mehrheitlich keine Sprachpuristen, die kein englischsprachiges Wort dulden wollen. Natürlich gibt es in jedem Verein Extremisten, aber die Spinner muß man halt auch ertragen.

Wir wehren uns gegen überflüssige Anglizismen und die damit verbundene Anglomanie, der Sie ja offenbar auvh erlegen sind. Motto: Wenn's nicht auf englisch ausgedrückt wird, taugt's nix. Unsere Sprache ist sehr ausdrucksreich und variantenreich. Denken Sie nur an die Vielfalt für den Begriff "Ticket": Da haben wir die Eintrittskarte, den Fahrschein, die Fahrkarte und den Flugschein. Die Verwendung von 'Ticket ist also eine ausgesprochene Sprachverarmung. Wollen Sie das? Es gibt noch zahlreiche andere Beispiele.

Ich bin auch gegen die krampfhafte Suche nach deutschen Wörtern dort, wo wir wenig Passendes finden, z.B. bei Fitness oder Sexappeal. Und ich habe auch Zweifel, ob sich die gesuchten Alternativen alle durchsetzen. Betrachten wir es doch als Herausforderung an die Sprachphantasie! Daß die Amies oder die Briten sprachschöpferisch produktiver sind, wage ich zu bezweifeln, höchstens im Bereich der SMS-Sprache. Aber die betrachte ich auch als Weg zur Ausdrucksarmut.

Und daß die Amerikaner heute noch kulturell als Vorbilder betrachtet werden können, möchte ich zumindest seit George Dabbeljuh bezweifeln. Wenn ich mir allein überlege, daß ca. 30% der Amerikaner die Evolutionstheorie ablehnen und aus den Schulen verbannen wollen, dann fasse ich mich an den Kopf!

Wir Deutsche sollten wieder mehr Selbstbewußtsein haben, auch sprachlich. Immerhin wagt man seit der Fußball-WM wieder, Flagge zu zeigen. Das gab es seit der Nazizeit nicht mehr.

Noch eins: Viele Ausländer mokieren sich über die Anglomanie der Deutschen, was nicht gerade dazu beiträgt, uns zu achten. Da sind die Franzosen doch aus anderem Holz geschnitzt!

Wie sagte doch Karl Valentin? "Das ist meine Meinung!"

In diesem Sinn beste Grüße aus Unterfranken.

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